Eröffnung 31.Mai, 19:00
mit einer Lecture Performance von Saar Magal (Videogestaltung und -schnitt: Benjamin Krieg)
Der zweite Teil des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramms DIE SCHWEIZ IST KEINE INSEL nimmt unter dem Titel „#2 Lauter Widerspruch“ Bezug auf das Richard-Wagner-Jahr 2013 und seinen Zusammenhang mit Schweizer Geschichtspolitiken.
Arbeiten von Tal Adler/Karin Schneider, des „Arbeitskreises zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus“, von Sasha Huber, Tina Leisch, Saar Magal und des „Café Temelín“ zeigen Strategien eines künstlerischen Umgangs mit „ambivalenten“ und „problematischen“ geschichtspolitischen Figuren, Orten und Erzählungen.
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Das Bild der Schweiz als „neutrales Land“ und humanitäre Insel hat in den letzten Jahrzehnten Risse bekommen. Zwar ist die Schweiz kein NS-Nachfolgestaat, sie war aber mehrfach in das nationalsozialistische Regime involviert. In der Schweiz waren sowohl Widerständige aktiv, als auch Kollaborateur_innen und Profiteur_innen. Der heutige ökonomische Reichtum der Schweiz kann davon nicht getrennt werden.
Antisemitische und rassistische Politiken in der Schweiz gehen weit in die Geschichte zurück. Zwischen 1933 und 1945 war die Schweiz war ein Land des Exils, aber auch ein Land, das seine Grenzen für jene, die „nur aus Rassegründen“ auf der Flucht waren, schloss, sie zurückwies und somit ihren Tod in Kauf nahm. Bis heute zeigen sich Kontinuitäten dieser Politiken gegenüber Jüd_innen, Roma und Flüchtlingen, während die Behauptung der Neutralität und des „Spezialfalls“ Schweiz weiterhin der Schutzschild gegen die Auseinandersetzung mit eigenen Involviertheiten bleibt.
Augenscheinlich wird diese problematische Haltung zur eigenen Geschichte im Umgang mit dem Antisemitismus Richard Wagners im Jubiläumsjahr 2013. Gerade die Figur Wagner bietet die Gelegenheit einer weit über ihn und sein Werk selbst reichende Auseinandersetzung: Er floh als Beteiligter an der bürgerlichen Revolution aus Dresden, fand in Zürich Asyl und arbeitete hier nicht nur an seinem musikalischen Schaffen weiter, sondern verfasste auch die antisemitische Schrift „Das Judenthum in der Musik“. Später wurde er zu einem (kultur-)politischen Stichwortgeber der Nazis.
Wagner und sein Werk ernst zu nehmen bedeutet, keine feinsäuberliche Trennung seines musikalischen Schaffens von seinen politischen Haltungen und Handlungen vorzunehmen, keine Rechtfertigung des musikalischen „Genies“ zu betreiben, während sein Antisemitismus und seine Deutschtümelei als bestenfalls irritierende Fußnote behandelt werden. Wagner als politischen Künstler ernst zu nehmen bedeutet, die Logik seines Schaffens - mittels Kunst die Welt zu formen - genauer zu betrachten. Zuletzt bedeutet eine solche konsequente Auseinandersetzung (in der Schweiz) auch , sich mit historischen Formen von Antisemitismus und Rassismus auseinanderzusetzen und gegen deren aktuelle Formen aufzutreten und zu kämpfen.
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Das Ausstellungsprojekt „#2 Lauter Widerspruch“ schlägt vor, Werk, Haltung und Rezeption als „schillernd“ oder „ambivalent“ bezeichneter Figuren in ihrem Gesamtzusammenhang ernst zu nehmen. Die in der Ausstellung gezeigten künstlerischen Arbeiten setzen einer apologetischen, verunklärenden Haltung Strategien der Klärung und Veränderung entgegen.
Die Choreographin Saar Magal eröffnet die Ausstellung mit einer Performance –Lecture ihres Stückes „Hacking Wagner“ in einer für die Shedhalle adaptierten Version. Dabei geht es um die Möglichkeiten, das Werk und die Rezeption Richard Wagners zu „hacken“, also die betreffenden Codes zu knacken, sie umzudefinieren und sich Wagner - auch aus der Position von Überlebenden des Holocaust und ihrer Nachkommen – neu anzueignen. Weiters wird nach der Aufführbarkeit Richard Wagners in Ländern, in denen der Nationalsozialismus und seine Folgen bis heute nachwirken – so auch in der Schweiz - gefragt.
Tal Adler/Karin Schneider blicken in zwei Arbeiten aus den Serien „Zersprengte Fragmente“ und „Leveled Landscapes“ auf Orte und Formen des Erinnerns, Vergessens und Verdeckens in der österreichischen „Landschaft“.
In Tina Leisch’s „riefenstahlremix“ erinnern sich die beiden Sintezza Anna Blach und Rosa Winter an die Zwangsarbeit in Helene Riefenstahls „Tiefland“. Sie wurden von der Nazi-Film-Ikone aus einem Konzentrationslager als unfreiwillige Statistinnen für den Film
zwangsverpflichtet.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten von Sasha Huber und der zwei Kollektive „Café Temelín“ und „Arbeitskreis für die Umgestaltung des Lueger Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Wien“ zeigen Formen der künstlerischen Intervention an sehr konkreten Orten auf und sind daran interessiert, dort Handlungsspielräume zu erweitern.
Der „Arbeitskreis zur Umbenennung des Lueger-Denkmals in ein Mahnmal gegen Antisemitismus und Rassismus in Wien“ lud zu einem offenen Wettbewerb, bei dem 225 Umgestaltungsvorschläge betreffend das Denkmal für einen antisemitischen Politiker, Karl Lueger (Wiener Bürgermeister 1897-1910) eingereicht wurden. In der Ausstellung werden ausgewählte Entwürfe, der Siegerentwurf sowie eine zusammenfassende Publikation gezeigt.
Sasha Huber dokumentiert ihre Umbenennung des nach einem Schweizer Vertreter des wissenschaftlichen Rassismus, Louis Agassiz, benannten Agassizhorns (Berner Alpen) in „Rentyhorn“. Renty war der Name jenes kongolesischen Sklaven, an dem Agassiz seine rassistische Beweisführung exerzierte und ihn dafür fotografieren ließ.
Das „Café Temelín“ zeigt filmische und fotografische Auszüge aus einer Tournee durch österreichische Grenz- und Bergregionen. Sie hatte zum Ziel, die Normalität revisionistischer Geschichtsschreibung und die Kontinuitäten nationalistischer und rechtsextremistischer Diskurse zu stören.
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Die Rechercheausstellung DIE SCHWEIZ IST KEINE INSEL versammelt künstlerische Arbeiten zu Schwerpunktthemen sowie Publikationen und Recherchematerialien in Form eines Handapparats. Die Ausstellung wird im Laufe des Jahres 2013 mit zusätzlichen thematischen Schwerpunkten erweitert. Der Handapparat wird laufend ergänzt, ist Grundlage weiterer Programmpunkte wie Workshops, Diskussionsveranstaltungen, Plakatkampagnen oder Aktionen/Interventionen und steht Besucher_innen zur Lektüre und als Recherchematerial zur Verfügung.