Shedhalle / Veranstaltungen / April 2013

"Social

30.04.2013, 19 Uhr, Shedhalle

Buchpräsentation und Lesung: Ich rannte aus Zitronen von Kurto Wendt

Es lesen: Can Gülcü, Katharina Morawek, Kurto Wendt und Luisa Ziaja

danach: zitronige Cocktails und Afterparty (bei Schönwetter am See)

 

"Posten" war nicht nur der veraltete Begriff für Beruf, ein Posten war schon ganz was anderes als ein Job. Einen Posten zu haben war eine quasi militärische Aufgabe, eine moralische. Der Posten machte dich zum Teil eines Ganzen, der Job kaufte dir bloß Lebenszeit ab.“

Nachdem Magda Hoffer ihren Job in einem Callcenter gekündigt hat, versucht ihr Vater, sie bei der Stadtverwaltung unterzubringen. Einen eingeforderten Gefallen und ein neues Kostüm später sitzt Magda also bei einem Vorstellungsgespräch mit dem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der städtischen Verkehrsbetriebe. Dort hat ein Mitarbeiter wegen jahrelangen Mobbings aufgrund seiner Homosexualität eine Klage eingereicht, und als Magda zufällig erfährt, dass nun versucht werden soll, ihn mit übelsten Mitteln aus dem Job zu drängen, beschließt sie, ihm zu helfen.

In seinen neuen Roman lässt Kurto Wendt seine journalistischen Recherchen zu einem realen Mobbing-Fall einfließen und erzählt auf wunderbar mühelose Weise die fiktive Geschichte rund um einen Kreis von Freund*innen in Wien. Mit viel Verve hat Wendt zudem zahlreiche namhafte Persönlichkeiten und Orte aus der queer-feministischen Subkultur in seinen Roman eingewoben und somit quasi nebenbei eine liebevolle Momentaufnahme queer-feministischen Lebens geschaffen.

 

Kurto Wendt, geb. 1965 in Oberösterreich, Studium der Germanistik und Philosophie in Wien ohne Abschluss. Er lebt in Wien und arbeitet als Journalist und als Medienbeobachter der Austria Presse Agentur.

 

 

 

Ich rannte aus Zitronen
Roman
Zaglossus Verlag
Wien 2013
ISBN 978-3-902902-03-0
EUR 14,95 / 21.90 CHF

 

Shedhalle / Veranstaltungen / April 2013

"Social
„Die leere Mitte“, Hito Steyerl
„Die leere Mitte“, Hito Steyerl

Programm 4 / Donnerstag 25.4.2013, 19:00, Shedhalle 

Jenseits von Wagner: Mendelssohn Bartholdy, Schönberg und das Gedächtnis des Widerstands

„Einleitung zu Arnold Schoenbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielscene“ Jean-Marie Straub & Danièle Huillet, BRD 1972, 15 min, dt. OV.

„Die leere Mitte“ Hito Steyerl, D 1998, 62 min, dt. OV

Zwei Filme und zwei Komponisten, jenseits von Wagner: Drei Jahre nach dessen Tod attackierte Richard Wagner 1850 in seiner Hetzschrift „Das Judenthum in der Musik“ den jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. Wagners Angriffe führten zur Missachtung von Mendelssohn Bartholdys Werk in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach 1933 wurden Aufführungen seiner Werke verboten. In Hito Steyerls dichtem Essay „Die leere Mitte“ bildet die Geschichte dieses Komponisten lediglich eines von zahlreichen Fundstücken im Verlauf einer filmischen Grabung an der Baustelle des Berliner Potsdamer Platzes. Steyerls Film entziffert diesen Ort und legt in der „leeren Mitte“ des wiedervereinigten Deutschlands zahlreiche archäologische Schichtungen frei. An diesem Ort der Erinnerung finden sich Spuren von Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus, Macht und Gewalt – und von darunter begrabenen, zum Schweigen gebrachten Geschichten.

Straub/Huillets kleiner, heftiger Film ist eine Collage nach Schönbergs gleichnamigem Musikstück (opus 34, 1929/30), das den Untertitel „Drohende Gefahr – Angst – Katastrophe“ trägt. Der Film zitiert auch einen Brief Schönbergs an Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1923, in dem dieser die Berufung ans Bauhaus in Weimar wegen seiner Erfahrungen mit dem deutschen Antisemitismus ablehnt. Der Film ruft Erinnerungen an die Shoah wach und geht weiter, vor und zurück: Er fügt durch Schwarzkader isolierte Bilder eines abhebenden B52-Bombers und eine Fotografie von ermordeten KommunardInnen hinzu. Dieser Film, den Straub „unseren aggressivsten“ nannte, stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus.

Shedhalle / Veranstaltungen / April 2013

"Social
"Natasha", Ulli Gladik
"Natasha", Ulli Gladik

Programm 3 / Freitag 12.4.2013, 19:00, Shedhalle

Vom Recht, zu Betteln
Filmpräsentation mit Ulli Gladik

„Natasha“ Ulli Gladik, A 2008, 84 min, Original mit deutschen Untertiteln
http://www.youtube.com/watch?v=LmdnxeFOddg

Natasha lebt in Bresnik, einer Kleinstadt in der Nähe von Sofia. Wie viele Roma an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ohne Aussicht auf Arbeit fährt sie mehrmals jährlich nach Österreich, um zu betteln und ernährt so ihre Familie. Ulli Gladik besuchte sie und ihre Familie im Zeitraum von fast zwei Jahren in Österreich und Bulgarien. Der Film holt Natasha aus der Anonymität heraus, zeigt ihren Alltag als Bettlerin in Österreich und die Lebensumstände in ihrer Heimat. Man begreift, Betteln ist Schwerarbeit und Natasha nicht ein Opfer, sondern eine selbstbestimmt handelnde Person.

„Natasha“ wendet sich exemplarisch gegen die Unsichtbarmachung und Verdrängung der Armen in reichen, kapitalistischen Gesellschaften. Diese Politiken des zum-Verschwinden-bringens werden auf der einen Seite mit Bettelverboten und Platzverweisen exekutiert, auf der anderen sorgen medial verbreitete rassistische Stereotype von „kriminellen Roma“ und Mythen von „organisierten Bettelbanden“ für die nötige „Stimmung“. Ulli Gladik: „Statt Armut nachhaltig zu bekämpfen, was eigentlich die Aufgabe der Politik wäre, wird mit Bettelverboten versucht, Armut unsichtbar machen. Es wird Politik gemacht, die ein Klima der Intoleranz auf dem Rücken benachteiligter Menschen schafft. Beunruhigend, denn gerade in Krisenzeiten sollte die Politik rechtsextremen Strömungen entgegenwirken, statt ihrerseits Ressentiments zu schüren und Hilfe suchende Menschen zu kriminalisieren.“

In Anwesenheit der Regisseurin.

Ulli Gladik, geb. 1970 in Bruck an der Mur (Österreich). Studium der künstlerischen Fotografie bei Friedl Kubelka und Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Von 2001 bis 2002 erhielt sie ein Auslandsstipendium an der National Academy of Arts in Sofia und gründete gemeinsam mit Ljuben Stoev und Doris Peter das Kunstprojekt "Transformazija", in dessen Rahmen Ausstellungsprojekte in Deutschland, Österreich und Bulgarien realisiert wurden. Arbeit als freischaffende Künstlerin, Fotografin und Filmemacherin, Aktivismus im Rahmen der BettelLobbyWien.
 

http://www.natasha-der-film.at

http://bettellobbywien.wordpress.com