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Donnerstag, 30.5.2013, 19:00, Shedhalle

Zweifelhaftes Vergnügen

Diskussion über Versuche, Richard Wagner als politischen Künstler ernst zu nehmen.

mit Ruth Beckermann (Filmemacherin/Autorin), Saar Magal (Choreographin), Andreas Peham (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes), Elmar Weingarten (Intendant Tonhalle Zürich, Geschäftsführer der Zürcher Festspiele), u.a. 

moderiert von Fritz Trümpi (Historiker, Journalist) 

Am Vorabend der Eröffnung der Rechercheausstellung „SCHWEIZ IST KEINE INSEL #2 – Lauter Widerspruch“ widmet sich die Podiumsdiskussion der Frage, wie die politische Figur Richard Wagner während des heurigen Wagner-Jahres in Zürich verhandelt wird, wie der Antisemitismus Wagners in einem solchen Jahr thematisiert und nach der ambivalenten Rolle der Schweiz im Hinblick auf "politische Exilanten" gefragt werden kann.

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Dienstag, 28. Mai 2013, 19:00

Wo hätten wir links abbiegen müssen? Manès Sperber quergelesen mit Bini Adamczak

Lesung von Bini Adamczak, Dito Behr und Katharina Morawek

Der Kommunismus hat das „historisch einklagbare Anrecht in die Welt gezwungen (...), keine Entmündigung hinnehmen, nicht eine einzige Erniedrigung mehr ertragen zu müssen. Seitdem ist noch das kleinste Unrecht größer und das größte schmerzt um ein Vielfaches mehr“. So schreibt Bini Adamczak in ihrem Buch „gestern morgen – über die einsamkeit kommunistischer gespenster und die rekonstruktion der zukunft“. „Gestern Morgen“ bürstet die Geschichte der russischen Revolution gegen den Strich; ausgehend vom stalinschen Terror wird der Frage nachgegangen, wie es im Verlauf nach 1917 kommen konnte, dass vom Aufbruch hin zu einer universellen Emanzipation, mit dem viele in die Revolution gegangen waren, kaum etwas übrig blieb. In seiner Romantrilogie „Wie eine Träne im Ozean“ lässt Manès Sperber den Revolutionär Herbert Sönnecke, einen der wichtigsten Protagonisten seines Romans, folgenden Satz sagen: „Einer von den Überlebenden wird sich an die Arbeit machen müssen, um genau herauszufinden, wann diese Entwicklung begonnen hat“. Zu diesem Zeitpunkt steht Sönnecke, Kommunist seit den Ruhrkämpfen 1920, in Moskau als Angeklagter der Schauprozesse vor Gericht. Einen Tag später wird er ermordet.

Bei der Lesung greifen wir diesen Faden auf und wollen den Versuch unternehmen, in einer gemeinsamen Debatte der erinnerungspolitischen Arbeit nachzugehen, zu der Manès Sperber uns ermahnt und auf die sich Bini Adamczak in „gestern morgen“ bezieht. Die Lesung ist gleichzeitig auch eine Hommage an Manès Sperber. Hier in Zürich verbrachte der Schriftsteller von 1942 bis 1945 drei widersprüchliche aber gleichzeitig entscheidende Jahre seines Exils. Hier entstanden die Fundamente seiner grossen Romantrilogie ”Wie eine Träne im Ozean”. Mit dem Titel der Lesung „Wo hätten wir links abbiegen müssen“ wollen wir nicht über richtige und falsche revolutionäre Linien streiten; zudem entwickeln wir weder ein Parteiprogramm noch sind wir Teil einer Gruppe mit offen artikuliertem oder unausgesprochenem Avantgarde-Anspruch. Wir stellen uns allerdings auch nicht außerhalb der Geschichte – unser Interesse gilt den gesellschaftlichen Bedingungen für revolutionäre Politik gestern, heute und morgen.

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15.5.2013, 19:00, Shedhalle

Praktiken der künstlerischen Intervention: Marty Huber / Love Attack - Über den (performativen) Gebrauch von Gefühlen in queer-aktivistischen Kontexten

Eine Lecture/Performance über den Gebrauch der Gefühle führt uns mit postkolonialen und queeren Theorien zu den "erotischen Battlefields" queer aktivistischer Kontexte. Das Augenmerk liegt dabei auf Interventionen im öffentlichen Raum und den komplexen Verstrickungen von Wut, Liebe, Stolz sowie die Überwindung von Angst. Ausgehend von der "Befreiung der Christopher Street", dem Aufstand US-amerikanischer LGBT, 1969 in New York und ihren frivolen Taktiken wendet sich die Lecture/Performance den (ambivalenten) Schauplätzen europäischer Gay Pride Paraden zu. Die Beispiele führen dabei z.B. von nationalen Anrufungen, zu Verwebungen von Stolz und Kommerz und zu Versuchen mit "Liebesattacken vom anderen Ufer" die normativen Grenzlinien des öffentlichen Raumes zu verwischen.
Love Attack ist eine weitere Übersetzung eines Teilaspektes der Dissertation "Queere Kollektivität und performative Praxen" von Marty Huber und eine Fortsetzung der Lecture/Performance "Gender\===/Bending The Wall or Rain On Our Parade".

Eine Veranstaltung des BA-Studiengangs Medien & Kunst Vertiefung Theorie an der Zürcher Hochschule der Künste

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"Blues Brothers", John Landis, USA, 1980
"Blues Brothers", John Landis, USA, 1980

Programm 6 / Freitag 17.5.2013, 19:00, Shedhalle 

 Gewalt im Wagner-Sound. Von Walküre ins Queere: Ein rassistischer Filmritt und seine Nach-, Um- und Gegenbildungen 1915-2013. 

Video-Lecture von Drehli Robnik

Um „Wagner im Film“ geht es bei dieser Video-Lecture nicht im biographischen, filmhistorischen oder musikologischen Sinn, sondern im Register von „Greatest Hits“: Richard Wagners bekanntestes, unter dem Gebrauchsnamen „Walkürenritt“ geläufiges Musikstück hört nicht auf, weltweit und nachhaltig durch Film- und Medienkulturen zu geistern, immer wieder aufgelegt in verschiedensten Nach-, Um- und Gegenbildungen. Es wird um diesen und andere Wagner’sche „Greatest Hits“ gehen – Schläge und Treffer –, um Inszenierung von "Größe" wie auch deren Demontage. Diese „Hits“ werden an diversen Berührungspunkten mit filmästhetischem und politischem Denken zusammengelesen.

Entlang von Gedanken von Michael Rogin, Miriam Hansen, Joseba Gabilondo, Gilles Deleuze und Jacques Rancière durchquert die Video-Lecture die Kinogeschichte: Von der mythischen Geburtsstunde des amerikanischen Spielfilms samt Apologie des Ku-Klux-Klans in D. W. Griffiths rassistischem The Birth of a Nation (1915), über die Versetzungen des betreffenden Musikstücks in diverse Re-Visionen des Kriegs der USA in Vietnam (My Name Is Nobody, 1973; Apocalypse Now, 1979; Forrest Gump, 1994) bis hin zum zwiespältigen Zuschnitt des Siegfried-Stoffs im Heldenwerdungsprozess von Django Unchained (2013). Dazwischen die „Neuauflage der alten Wagner-Platte“ im Anti-Nazi-Widerstandsdrama Valkyrie (2009) – darin wird von einer Nebenfigur mit Bärtchen der Satz gesprochen: „One cannot understand National Socialism if one does not understand Wagner.“

Drehli Robnik, Filmtheoretiker und Historiker; Promotion an der Universität Amsterdam; Externe Lehrtätigkeit in Fimwissenschaft an Unis in Wien und Brno 1995-2012; Tätigkeit als Filmkritiker und Edutainer; FWF-Forschungsprojekt "Political Aesthetics of Contemporary European Horror Film. Buchveröffentlichungen: „Film ohne Grund. Filmtheorie, Postpolitik und Dissens bei Jacques Rancière“. Wien, Berlin 2010, „Geschichtsästhetik und Affektpolitik. Stauffenberg und der 20. Juli im Film“. Wien 2009; Hrsg. mit Amalia Kerekes und Katalin Teller: „Film als Loch in der Wand. Kino und Geschichte bei Siegfried Kracauer“. Wien, Berlin 2013, Hrsg. mit Thomas Hübel und Siegfried Mattl: „Das Streit-Bild. Film, Geschichte und Politik bei Jacques Rancière.“ Wien, Berlin 2010.

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„Das Boot ist voll“, Markus Imhoof
„Das Boot ist voll“, Markus Imhoof

Programm 5 / Donnerstag 9.5.2013, 19:00, Shedhalle 

Geschlossene Grenzen 1933-1945

„Das Boot ist voll“ Markus Imhoof, CH 1981, 100 min, dt. OV.

„Das Boot ist voll!“ – Dieser Satz wurde während des Zweiten Weltkriegs von vielen SchweizerInnen im Munde geführt. Im gleichnamigen Buch setzte sich der Journalist und Schriftsteller Alfred A. Häsler 1967 als einer der Ersten kritisch mit der Schweizer Flüchtlingspolitik auseinander und öffnete damit einer breiten Öffentlichkeit die Augen über diese bis dahin verschwiegene Geschichte. Dem Bergier-Bericht zufolge wurden während des Zweiten Weltkrieges über 20.000 Flüchtlinge an der Schweizer Grenze abgewiesen oder aus dem Land geschafft. Zwischen 1938 und November 1944 wurden zudem um die 14.500 Einreisegesuche abgelehnt.

Imhoofs Spielfilm –eine der ersten filmischen geschichtspolitischen Interventionen in diese Richtung – fiktionalisiert die Geschichten einer zufällig zusammengewürfelten Gruppe von Flüchtlingen, denen der heimliche Grenzübertritt in die Schweiz gelungen war. Markus Imhoof: „Sie alle können nicht wissen, dass diese Zuflucht trügerisch ist, dass Flüchtlinge ‚nur aus Rassengründen’ kein Anrecht auf Asyl haben und dass seit einiger Zeit die Grenzen für Fremde verschlossen sind. Halbherzig von Schweizern aufgenommen und halb wieder verraten, sind die Flüchtlinge sogar bereit, sich selber preiszugeben um sich zu retten. Sie formieren sich zu einer grotesken Familie, um so die Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen die fremdenpolizeilichen Vorschriften noch Ausnahmen gestatten. Das Versteckspiel gelingt nur eine trügerische Weile, dann wird die Heimat wieder hergestellt, die Heimatlosen bezahlen sie mit ihrem Leben.“