Christoph Draeger «the man who stole the moon ... (fell from the sky and crashed on earth)»

ShedhalleAusstellungen / Überblendungen / KünstlerInnen

Christoph Draeger «the man who stole the moon ...», HDV, 25 min, 2010

Christoph Draeger, CH/US: «the man who stole the moon ...» (Videostill)

 

the man who stole the moon ... (fell from the sky and crashed on earth)
HD-Video, 25 min, 2010

Da ist dichter Nebel, ein Flugzeug, das langsam hineingleitet, im Wald abstürzt. Dann rasen die News um die Welt. Im Flugzeug sass der ehemalige Präsident Polens, Lech Kaczynski, mit Frau und 94 hochgestellten Passagieren. Für Polen ist der Schock gross, es scheint, als sei mit einem Schlag die gesamte Elite des Landes ausradiert. Das Land trauert, der ehemals farblose Präsident, Homosexuellenhasser und Konservativer, bekommt ein Heldenbegräbnis, das nur Wenigen vorbehalten war. Das russische Smolensk, der Ort des Absturzes, wird zum Namen eines nationalen Verlusts, den Polen schon einmal durchgemacht hat. 1940 befahl Stalin seinem Geheimdienst, über 20.000 Angehörige der polnischen Elite im Wald von Katyn zu ermorden. Tatsächlich war Kaczynski mit seinen Leuten auf dem Weg dorthin, um dieser Tat zu gedenken: Smolensk – Katyn, Katyn – Smolensk. So könnte dieser Film auch heissen.

Christoph Draegers für die Ausstellung in der Shedhalle neu produzierter Film the man who stole the moon ... bezieht sich in seinem Titel auf zwei Ereignisse, die wie eine Klammer das Leben von Lech Kaczynski umfassen: Sein früher Ruhm als Kinderschauspieler neben seinem Zwillingsbruder Jaroslaw im erfolgreichen Spielfilm «The Two Who Stole the Moon» (1962), und sein plötzlicher, von Mythen umgebener Tod am 10. April 2010. Draeger greift den Tod des Präsidenten auf, um darzustellen, wie sich Geschichte, auch heute noch, um das Leben hochgestellter Persönlichkeiten rankt, und wie ein solcher unerwarteter Tod, insbesondere mithilfe der globalen Medien, Boden für Mythen und Verschwörungstheorien liefert. Immer wieder wird das Unglaubliche erzählt, jede und jeder fühlt sich dazu berufen, Indizien und Spuren für ein Foolplay zu suchen und zu veröffentlichen. Es wird deutlich, dass Geschichtsschreibung heute nicht nur im Internet und TV stattfindet, sondern auch, dass sie niemals erledigt ist. Jedes Ereignis ruft seine historischen Doppelgänger auf und führt Geschichte nachgerade als potenzierten Rest von Unerledigtem vor.

/christophdraeger.com

dichter Nebel, ein Flugzeug