Daniela Comani «Ich war's. Tagebuch 1900–1999»

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Daniela Comani «Ich war's. 1900 -1999», 2002/2007 (Detailfoto)

Daniela Comani, I/D: «Ich war's. 1900–1999», (Detailfoto) 

 

Ich war's. Tagebuch 1900–1999
Druck auf Net Vinyl, 300 x 600 cm, 2002/2007

Mit der Arbeit «Ich war’s. Tagebuch 1900–1999» durchquert die Künstlerin Daniela Comani das gesamte weltgeschichtliche 20. Jahrhundert – ohne Begrenzung von Raum, Zeit oder Kontext. Auf einer riesig anmutenden Vinyl-Leinwand liest man eng aneinander gereiht 365 Selbstzeugnisse eines fiktiven Ichs: Am 3. September wurde das Ich Opfer der Mafia in Palermo, am 4. September zum Präsidenten Chiles gewählt, am 5. September hat es Hanns-Martin Schleyer entführt. Alle Ereignisse sind datiert, beginnend mit dem 1. Januar und folgen der chronologischen Reihung der Tage eines Jahres, umfassen aber ein Jahrhundert. Jeder Eintrag ist in der Ich-Form formuliert, in der italienischen Fassung deutlich als weibliche Form erkennbar: Sono stata io.

Die Rollen wechseln zwischen passiv und aktiv, zwischen Zeugin, Täterin, Opfer, Märtyrerin oder Berichterstatterin hin und her. Das Schwindelgefühl ob der dichten Folge der dramatischen Ereignisse entspricht dem des Rollenwechsels. Die Personifizierung der Urheberschaft für die heroischen Momente versetzt den/die LeserIn in eine befremdliche Identifikation, die zwischen absurdem Grössenwahn und apokalyptischer Selbstvernichtung wankt. Somit wird nicht nur das kleine, anonyme und impersonale «Ich» zum grossen Akteur von Weltgeschichte, sondern im Italienischen besetzt nun auch «die Frau» als Handelnde jene Lücke in der Geschichtsschreibung, über die man wenig spricht. Comani überblendet sowohl zeitliche Ungleichzeitigkeiten, indem sie vordergründig einer Chronologie von Ereignissen folgt und diese gleichzeitig sprengt, als auch die Wahrnehmung von Geschichte als ein Nebeneinander von subjektiv selektiven Wahrnehmungen und weltgeschichtlichen Meilensteinen. Damit spiegelt sie nicht nur die Subjektivität von Geschichtsschreibung, sondern macht deutlich, dass es bei einer solchen gerade nicht um die Anhäufung blosser Daten und Ereignisse gehen kann. Die Arbeit «Ich war’s» existiert neben dem hier ausgestellten «Bild» auch als Hörstück und als Publikation.

/danielacomani.net
 

«Ich» zum grossen Akteur von